Page 11 - Busso Peus Blätterkatalog 417
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Der Numismatiker Hermann-Joseph Lückger
„Heimatkundler, Unternehmer, Kunstsammler“ – so lautet der Eintrag zu Hermann-Joseph Lückger in der Deutschen Digi- talen Bibliothek. Von all diesen Aspekten sei im Folgenden ein kleiner Teilbereich angesprochen: das Sammeln und historische Auswerten antiker Münzen. Was Hermann-Joseph Lückger auf dem Feld der mittelalterlichen Münzkunde geleistet hat, verdient eine gesonderte Würdigung.
Hermann-Joseph Lückger wurde 1864 in Köln geboren, wo seine Familie seit Generationen ansässig war. Nach dem Abitur besuchte er die Wirkerschule in Chemnitz, um 1892 die Leitung der Strickwarenfabrik „Lückger & Co.“ zu übernehmen, die seit 1817 im Besitz der Familie war, und der er bis zu seinem Tod im Jahr 1951 vorstand. Diese großbürgerliche Existenz verschaffte ihm die nötige Muße für eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte seiner Heimatstadt. Bereits der Großvater hatte – ne- ben anderen Antiquitäten – Münzen gesammelt (s. Losnr. 242), sodass Hermann-Joseph Lückger bereits von Hause aus mit dem „bacillus numismaticus“ infiziert war. Der gründerzeitliche Bauboom ab den 1880er Jahren, der an vielen Plätzen Kölns den Blick auf die römische Colonia Claudia Ara Agrippinensium freigab, muss dieses Interesse zusätzlich befeuert haben – zumal sich, auch dank Theodor Mommsen, die antike Numismatik zu einer Leitwissenschaft entwickelt hatte.
Lückger war fortwährend auf Streifzug in Köln, besuchte in en- gen Abständen die Antiquitäten- und Münzhändler und nahm Baustellen in Augenschein (besonders während des Wiederauf-
baus nach dem 1. Weltkrieg), um sich ein Bild von den archäologischen Strukturen der römischen und frühmittelalterlichen Stadt zu machen. Nach Auskunft der Unterlegzettel in seiner Sammlung war sein Kölner Stammhändler zunächst ein Herr Meyer. Später, in den 1920er und 30er Jahren, wurde es dann Max Kiehn, der am Friesenplatz saß. Dort scheint er Zugriff auf die Neu- eingänge gehabt zu haben, denn der Abgleich mit den alten Verkaufslisten ergab kaum einen Treffer.
Die Sammlung Lückger ist eine Forschungssammlung im besten Sinne. Lückger war Teil einer sehr engagierten Gruppe von privaten Sammlern und Heimatforschern, die an vielen Punkten mit den hauptamtlichen Gelehrten zusammenarbeiteten. Seine wachsende Expertise trug ihm außerdem die kollegiale Freundschaft mit bedeutenden europäischen Numismatikern wie Ernest Babelon und Francesco Gnecchi ein. In Bezug auf die Numismatik war es Lückgers wichtigstes Anliegen, neue Münzen der Fachöffentlichkeit bekannt und der historischen Forschung zugänglich zu machen. Vielfach nahm Lückger die historische Aus- wertung gleich selbst vor, so in seiner 1936 erschienenen Aufsatzsammlung „Agrippa’s Rheinhafen. Die Ara Ubiorum“. Die darin vorgenommene Lokalisierung wurde 1980 während der Bauarbeiten zum Museum Ludwig vollauf bestätigt. Stets war er darum bemüht „Interesse für die glänzende Vergangenheit, die Geschichte und den Ruhm unserer Vaterstadt zu wecken“, wie er es im pathetischen Zeitstil im Vorwort zu diesen Studien formulierte. Dass dabei sein Lokalpatriotismus mitunter Blüten trieb, sodass er beispielsweise jeden Unterlegzettel seiner Postumus-Münzen mit einem dick unterstrichenen „Köln!“ versah und er die Titel seiner Publikationen gern mit Ausrufezeichen versah, spricht für seinen Enthusiasmus.
Von herausragender Bedeutung war für den Heimatforscher Lückger der Münzfund von St. Maria im Kapitol, der 1895 in Köln zutage trat und aus 150000–250000 constantinischen Kleinbronzen (Centenionales) bestand. Damit handelt es sich nach wie vor um den größten Fund römischer Münzen überhaupt. Lückger hat sich um die Erhellung der Fundumstände verdient gemacht (Nuber S. 153, vgl. Lückger 1924) und begleitete die wissenschaftliche Dokumentation von Teilen dieses Fundes durch den Di- rektor des Berliner Münzkabinetts Heinrich Dressel (1898–1919) und seinen Nachfolger Kurt Regling (1921–1935), mit dem er hierüber korrespondierte. Einige der in vorliegendem Katalog dokumentierten Centenionales dürften aus diesem Fund stammen (Losnr. 713–755), wie auch manche Unterlegzettel bekunden. Die Stücke sind an der exzellenten Erhaltung und der sehr eben- mäßigen dunkelbraunen bis schwarzbraunen Patina zu erkennen. Auch an der Dokumentation des spektakulären Fundkomplexes aus der Kölner Gertrudenstraße von 1909 sowie des schon um 1880 geborgenen Fundes von Morenhoven bei Bonn hat Lückger einen bedeutenden Anteil. Aus dem großen Fund von Christogramm-Münzen des Magnentius und Decentius zog er wiederum scharfsinnige Schlüsse zum Status der kölnischen Christen zur Mitte des 4. Jahrhunderts (Lückger 1930) – ein Thema, das dem rheinischen Katholiken besonders am Herzen lag (vgl. Lückger 1934).
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